Stadtkundschaften: Der Markt im Untergrund

    Was haben Chemnitz, Frankfurt, Hannover, Kassel, Metz und Stuttgart gemeinsam? Alle genannten Städte verfügen über Markthallen, in denen die Markthändler in festen Ständen unter einem gemeinsamen Dach wettergeschützt ihre Waren anbieten können. Manche dieser Hallen stammen aus dem späten 19.Jahrhundert, als Hygiene noch ein wichtiges städtebauliches Thema war (Chemnitz, Kassel, Metz, Stuttgart). Andere entstanden nach Kriegszerstörung in moderner Form der Architektursprache der 1950/60er Jahre wieder neu (Frankfurt, Hannover). Saarbrücken besass auch eine Markthalle am Neumarkt. Nach der Kriegszerstörung 1944 wurde die Halle nicht wieder aufgebaut und der Platz dem Bau der Stadtautobahn geopfert. Doch wunderlicherweise gibt es in Saarbrücken eine Art Markthalle zu finden, wenn auch keine echte: die Diskontopassage zwischen Fürsten- und Dudweiler Strasse. Trotz Konkurrenz der darüberliegenden Fussgängerzone geniesst diese unterirdische, verwinkelte und tageslichtlose Passage kurioserweise eine grosse Beliebtheit bei den Saarbrücker Kunden, obwohl sie in keinster Weise räumliche und architek-tonische Qualitäten besitzt und zudem widernatürlich nur über den Unter-grund erschlossen werden muss. Sie entstand im Zusammenhang mit dem Karstadt-Warenhaus (1970-71) und dem Diskonto-Hochhaus (1971-73, beide Bauten von den Architekten Krüger & Rieger, Saarbrücken), zu einer Zeit, als die Bahnhofstrasse noch extrem stark befahren war. Leider wurde es bei der Erweiterung der Passage im Zusammenhang mit dem Rathaus-Carrée (1995-1998 von Helge Bofinger, Wiebaden) versäumt, ihre räumlichen, funktionalen und atmosphärischen Defizite zu beheben. Vielleicht gibt es nun eine Gelegenheit, dass im Zuge der demnächst anstehenden Umgestaltung der Berliner Promenade samt anliegender Strassen Am Steg, Ufergasse und Schifferstrasse eine neue zeitgemässe Markthalle errichtet wird, die neben dem kulinarischen, auch einen ästhetischen Reiz ausstrahlt und das von den Saarbrückern vielgepriesene französische Flair der Stadt endlich sichtbar einlöst.

    Erstmals veröffentlicht: November 2007 von baubar urbanlaboratorium / Fotos: baubar 2007