Stadtgespräch: Zurück in die Steinzeit der Grundrisse - Wohnungsbau an der Saar

    Das Saarland ist das Häuslebauerland Nr. 1 in Deutschland, noch weit vor den Schwaben - kein anderes Bundesland weist prozentual so viel Eigentum auf. Lag der Schwerpunkt der Saarländer lange Zeit auf Einfamilienhäuser, lässt der derzeitige Immobilienmarkt sogar hier einen gewissen Geschosswohnungsbau brummen. Nicht bezahlbarer Mietwohnungsbau – der ist in Deutschland lahm, im Saarland noch mehr als tot, weil sich das Land von der Förderung und die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften vom Neubau fast gänzlich zurückgezogen haben - sondern privat finanzierter, hochpreisiger Eigentumswohnungsbau liegt hier voll im Trend. Eine Vielzahl solcher Neubau-Projekte, viele mit wohlklingenden Namen wie „Residenz“ und „Wohnpark“ werden derzeit in Saarlouis, Homburg, Saarbrücken und vielen anderen saarländischen Orten realisiert.

    Schaut man sich die Verkaufsprospekte der Immobilienentwickler genauer an, überkommt einem das kalte Grausen: man wird bildlich in die Steinzeit des Wohnungsbaus zurück katapultiert! Die meisten Investoren schämen sich nicht, die Erschließung auf ein Minimum auszureizen, in dem die Wohnungen an elendlich langen, ohne Tageslicht versorgten Fluren angeschlossen werden. Die „Cityresidenz“ am Bürgerpark Saarbrücken schafft es, 6 Wohnungen an einen mehrfach verwinkelten Flur anzudocken, das Objekt in der Saarbrücker Sulzbachstraße setzt dem noch eine Krone auf, in dem sogar 9 Wohnungeinheiten mit einem dunklen, bedrückendem Flur erschlossen werden. Zeitgemäßer Wohnungsbau auf dem Niveau eines Budgethotel oder Männer-Wohnheims der Vorkriegszeit? Architekturstudenten jedenfalls würden mit solchen Grundrissen durch das Studium fallen, weil die Grundregeln der Verhältnismäßigkeit von Form, Funktionalität und Atmosphäre missachtet wurden.

    Diese Art der „Nutzflächenoptimierung“ gab es das letzte Mal zu Hochzeiten der Wohnungsspekulation im 19.Jahrhundert oder in der Notzeit unmittelbar nach dem Krieg. Qualität und Intelligenz oder gar Nachhaltigkeit sucht man bei den meisten aktuellen Wohnungsbauprojekten im Saarland leider vergeblich.

    Wir werden überschwemmt mit Beratungszeitschriften, von Finanztest bis Ökotest, aber eine Stiftung Warentest für Wohnungsgrundrisse oder gar in diesen Fragen handelnde staatliche Bauaufsicht gibt es nicht, um solche Auswüchse zu verhindern. Dafür ist das Thema für Medien, Politik und Verwaltung zu unwichtig.

    Die Angst zu spät zu kommen macht die meisten Käufer blind und naiv. Hauptsache einfältige Balkonseligkeit - die verkauft sich derzeit blendend und macht die Investoren glücklich und die Gesellschaft arm.

    Erstmals veröffentlicht: 26.07.2016, Quelle Grundrisse: Internet