Stadtgespräch: Landschaft und Brücke

    Seit einigen Wochen ist die Vollsperrung aufgehoben und die Fechinger Talbrücke ist beschränkt wieder in Betrieb. Die im Frühjahr des Jahres vorherrschende schlechte Stimmung bei Politik und Bevölkerung hat sich inzwischen ziemlich beruhigt. Auch die Freigabe für den Schwerlastverkehr ist absehbar. Also wieder Zeit, einen sachlichen und klaren Blick auf die Situation zu werfen.

    Aus dem zuständigen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr ist zu hören, dass derzeit die Vorbereitung zur Planung eines Brückenneubaus laufen. Aufgrund der herausragenden verkehrlichen Bedeutung für Wirtschaft, Handel und Tourismus sowie fehlender, lärmverträglicher Umfahrungsalternativen erwägt die Landesregierung eine Beschleunigung des komplexen Genehmigungsverfahrens, um die geschätzte Zeit von mindestens 8 Jahren bis zur Fertigstellung einer neuen Brücke zu verkürzen.

    Da ist viel Optimismus im Spiel, um die vielen aufgebrachten Autofahrer (und Wählerstimmen) sowie lärmgeplagten Anwohner der Umleitungsstrecken bis zur Landtagswahl im März 2017 zu beruhigen. In welcher Richtung die Pläne für Bau und Genehmigung der Brücke tatsächlich gehen, ist in der Öffentlichkeit nicht bekannt. Kommunikation und Offenheit gehören nicht unbedingt zur Stärke eines Landesbetriebes (www.saarland.de/talbruecke_fechingen.htm). Dies ist nicht nur im Saarland so, sondern allgemein in der Zunft der deutschen Straßenbauingenieure vorzufinden.

    Bei allem Verständnis für eine schnelle Lösung dieses gewaltigen Infrastruktur-Problems, sollte bedacht werden, dass die 1963 erbaute Fechinger Talbrücke einen herausragenden technischen und verkehrsgeschichtlichen Stellenwert besitzt, wie die Denkmalpflege zurecht festgestellt hat. Es ist zu ergänzen, dass das elegante und sachlich-reduzierte Erscheinungsbild dieser Brücke, entworfen vom Konstruktionsbüro der Saarbrücker Stahlbaufirma Seibert, erst durch die landschaftliche Einbettung auffällig wird und dadurch landesweit und überregional baukünstlerische Bedeutung erlangt hat.

    Daher ist an die Verantwortlichen in der Landesverwaltung zu appellieren, dass die Neugestaltung der Fechinger Talbrücke und die damit einhergehenden Eingriffe in die Landschaft nicht als ingenieurhafte technische Leistung isoliert betrachtet werden, sondern vielmehr kohärent mit der Landschaft zu entwickeln sind. Eine Wiederholung einer misslungenen Integration eines Infrastrukturprojektes wie beispielsweise bei der Gestaltung der Saarbahntrasse in den öffentlichen Raum von Riegelsberg ist nicht zeitgemäß und gesellschaftlich akzeptabel.

    Am besten die Brücke bleibt in der jetzigen Form erhalten. Offensichtlich zeigen die derzeit laufenden Verstärkungsmaßnahmen der Brückenpfeiler, die optisch sehr zurückhaltend erfolgt sind, dass diese Option realistisch ist. Dies wäre nebenbei die ressourcenschonenste und umweltverträglichste Variante.

    Falls ein Neubau dennoch unvermeidlich sein sollte, sind die gestalterischen Aspekte mit den technischen Zielsetzungen gleichberechtigt zu berücksichtigen. Hierfür sollte zum frühen Zeitpunkt ein Wettbewerb unter Architekten, Landschaftsarchitekten und Ingenieuren durch geführt werden. Kein anderes Instrument garantiert bestmögliche Transparenz und Kommunikation mit Innovation, Gestaltungsqualität und Wirtschaftlichkeit. Auch bei anderen „Infrastruktur-Brennpunkten“ in der Bundesrepublik, so bei der Schiersteiner Brücke zwischen Mainz und Wiesbaden (www.schiersteinerbruecke.de) oder Leverkusener Rheinbrücke (www.strassen.nrw.de/projekte/autobahnausbau-bei-leverkusen.html) wurden frühzeitig Wettbewerbsverfahren für die Brückengestaltung in die beschleunigten Planungsverfahren integriert.

    So könnten also die viel beschworenen kurzen Wege im Saarland für beste Chancen auf ein Happyend in Fechingen sorgen, damit die Talbrücke nicht in einer gestalterischen Tragödie endet.

    Erstmals veröffentlicht: 21.09.2016, Foto 1 aus: Saarbrücken – GesternHeuteMorgen, erschienen 1968, Foto 2: baubar